6/24/2009

Who killed Bambi?



Dieter Gorny hat die Popkomm vorübergehend eingeschläfert. Die Ursachen für die einjährige Pause der ehemals glanzvollen Musikmesse sieht deren Gründer vor allem in der um sich greifenden Musik-Piraterie; sie mache es Unternehmen finanziell unmöglich, teilzunehmen. Damit stimmt Gorny in den Chor der Stimmen ein, die völlig zu Recht und überfälligerweise fordern, dass rechtliche Grundlagen für die Reformierung des krankenden Industriezweigs Musik geschaffen werden müssen.

Allerdings wiederholt er genau den Fehler, der ihn und seine Messe wohl tatsächlich in die aktuelle missliche Lage gebracht hat: Er klammert sich an eine alte Denke, die das Internet und die heutigen Musikliebhaber mit ihren Konsumgewohnheiten schon längst überholt haben. Im Gegensatz zu Tim Renner, der Open-Source-Ideen versprüht, pocht Gorny in altbewährter Bestrafungsmentalität auf das bereits in Frankreich gescheiterte Prinzip von Netzsperren für Musik-Piraten.

Seine Haltung ist nicht nur verfassungsrechtlich bedenklich, sondern verleugnet schlicht und einfach den realen Wandel. Dass sich der Konsument vom sich selbst bedienenden, freiheitsliebenden Filesharer zurück zum industrie hörigen, zahlungswilligen Musterbürger entwickelt, ist allerdings mehr als zweifelhaft. Vielmehr gilt es, neue Wege zu finden, das Internet, diesen exogenen, technologischen Schock – genau wie die Kassette und die CD – zu überwinden. Das ausgerechnet das branchenfremde Unternehmen Apple die Musikwirtschaft mit iTunes und iPod ausspielen konnte, ist bezeichnend für die Fortschrittsrenitenz der Musikindustrie.

Dessen ungeachtet ist Gornys Anliegen, der Schutz des Urhebers, durchaus ehrenwert. Seine Angst vor der Kulturflatrate, die jegliche Downloads legalisieren und damit Künstler ihrer Verwertungsrechte berauben würde, ist begründet. Die Flatrate würde das Urheberrecht und damit die legalen Distributionswege auf breiter Linie aushebeln, sollte sie frei nach Renner der Open-Source-Logik folgen. Sinnvoller wäre die von CARTA-Gründer Robin Meyer-Lucht vorgeschlagene Urheberrechtsabgabe für das Internet, ähnlich wie es bei Rohlingen oder Brennern schon üblich ist. Diese Abgabe würde sowohl die nicht zu verhindernde Piraterie bedenken als auch den klassischen Geschäftsmodellen Respekt zollen. Zwar würde man illegale Downloads de facto tolerieren, nicht aber akzeptieren – ein entscheidender Unterschied.

Solche Ideen hört man von Gorny nicht, der eben aus diesem Grund die Idealbesetzung für das Sprachrohr der schocksteifen deutschen Musikwirtschaft ist. Man vernimmt nur das immergleiche Lamento, das den Diskurs mit der eigenen Kundschaft scheut. Doch genau hier hätte die Popkomm ansetzen und den Kontakt mit den Kreativen suchen müssen, wie es z.B. die Kölner c/o pop oder die Leipziger (Pop Up vormachen. Die Bewegung in der Urheberrechtsdebatte hätte ein fruchtbarer Nährboden für eine im Kern erfolgreiche, nachhaltige Messe sein können.

Stattdessen fabuliert Gorny von einer „digitalen Krise“, deren Höhepunkt tatsächlich längst passé ist. Popkomm-Direktorin Katja Gross verweist immerhin ganz richtig auf ein neues Gesamtkonzept, welches notwendig wäre, um der Messe 2010 wieder Leben einzuhauchen. Eine Randnotiz. Statt dessen: Alarm- statt Aufbruchstimmung, der Ruf nach Vater Staat statt Eigenveranwortung. Das kommt Ihnen bekannt vor? Willkommen im Klub der Bankrotteure.


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Dieser Artikel erscheint morgen im Freitag. Auf Papier.


7 comments:

  1. Und da hast Du als Bildredakteur ebenfalls astreine Arbeit geleistet.

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  2. Vielleicht sollten wir das Bild auch für freitag.de vorschlagen. ;)

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  3. popkomm kann ruhig verrecken. ist doch eh nur ne selbstbeweihräucherungs- und werbeveranstaltung gewesen.

    wobei; gerade aus dem grund sollte die industrie eigentlich mal ihren arsch hochkriegen. wer seinen kram nicht ordentlich promoted und keine gigs klarmacht, wird halt auch nichts davon los.

    kommt mir nicht so vor als wäre 'die industrie' von ihren produkten sonderlich überzeugt, wenn sie nicht mal genug eier hat, einmal im jahr ne runde showcases in der hauptstadt zu schmeissen. (und in gorny's 'musikfernsehen' siehts ja nicht anders aus.)

    aber ist schon alles gut so. die leute, die da auf der strecke bleiben, braucht niemand. aber solange noch solche denkmuster bestehen und solche weltfremden begründungen rausgehauen werden, ist ja auch noch genug raum zum 'gesundschrumpfen'.

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  4. Das meinte ich mit exogenem Schock "Internet". Ist ja völlig klar, dass den Etablierten das weh tut, nur tut es das wohlmöglich a. zu recht und b. ist es vielleicht auch ganz normal. Wenn sich was verändert, wird eben viel geweint, weil die Karten neu gemischt werden. Am langen Ende hat es der Gesellschaft ja aber nie geschadet. Es ging eben weiter. Oder wie man man in BangBoomBang richtig anmerkte: "Kreislauf, weissu?"

    Wenn das heisst, dass Gorny & Co auf der Strecke bleiben, soll mich das nicht stören. Mitleid ist jedenfalls weder von Nöten noch angebracht.

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  5. Es entbehrt doch nicht einer feinen Ironie daß ausgerechnet die Industrie die Jahrzehntelang so etwas wie jugendliche Rebellion verkauft hat nun von eben dieser hinweggefegt wird.

    Konservative Kreise sollten vor Entzücken im Viereck springen, endlich geht es diesen Jugendverderbern an den Kragen.

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  6. Ein großer Witz, die Begründung der Absage. Es ist wirklich traurig das den Veranstaltern der Popkomm kein innovativerer Grund einfällt die Messe canceln. Witzigerweise ist die Hochzeit der illegalen Downloads ca. 2003 zuende gegangen und damit ist das Argument nicht nur hinsichtlich der Denkweise veraltet. Schuld eigene, sag ich da nur. Gorny hat nicht nur keine neuen Ideen - er hat gar keine. Der wahre Grund für das Abdriften der Popkomm in die völlige Belanglosigkeit.

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  7. Dieter Gorny hat FastForward getötet

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