6/17/2008

gehirn-gymnastik leuchtet nicht



rebel:art fand heute gefallen daran, von der neon in die wohlige mitte des mainstream aufgenommen worden zu sein. diese veröffentlichte in der neuen ausgabe eine auf papier gedruckte blogroll mit der selektion der redaktion. der nachrichtenwert und inhaltliche überraschungseffekt der blogauswahl tendiert - und das überrascht wenig - in rascheren schritte gegen null, als der flinke finger blättern kann. doch die vorstellung von 55 blogs, für deren aufstöbern ein praktikant zwei stunden durchs netz wuseln musste, reiht sich widerstandslos in die natur des gesamtes heftes. hier wird abgebildet, was einem größeren publikum bereits hinlänglich bekannt ist und in den jeweiligen szenen schon zu vorgestrigem geschehen gerechnet wird. auf klare positionen und provokante meinungen wird verzichtet.

wie markus brauck im spiegel ende mai zu einer these über die neon kam, die seine eigene generation als einfallslos, mitlaufend und zaghaft im ton beschrieb, ist kaum erklärbar - aber auch ein spiegel muss zunächst mit worten, und wenn es dann noch reicht mit inhalt gefüllt werden. so schrieb also brauck, als jahrgang 1971 selbst noch in der blüte seiner dreißiger, keine zeitschrift bilde das lebensgefühl junger deutscher unter 40 so gut ab wie das generationenblatt neon.
ob herr brauck versunken in neon-kolumnen über one-night-stands schmökert? verzückt über den tiefgang des feminismus light artikels diesen gerahmt in das büro der redaktionsassistentin hing? oder doch lieber nachts von der authentischen theologie-studentin aus der neon-singlebörse träumt?

laut spiegel-artikel ist der durchschnittsleser der neon 30,4 jahre alt. zahlen, die wohl aus der awa stammen, deren grundgesamtheit sich allerdings auch erst aus der deutschen bevölkerung ab 14 zusammensetzt. folglich kann die awa auch weder aufschluss darüber geben, ob die neon bereits grundschüler informiert, noch zu wessen gunsten die bravo mehrere hundertausend käufer in der jungen zielgruppe über die jahre verloren hat, oder wohin die leserinnen der young miss sich wandten, nachdem dass heft erst in bym umbenannt wurde und schließlich nur noch als online-variante vor sich hindümpelte. eine kurze, quantitative auswertung der neon-titelthemen zeigt immerhin eindrucksvoll, unter welcher neuen adresse das dr. sommer-team vom wissbegierigen teen kontaktiert wird. vielleicht erreichte die ursprungsheimat des popkulturellen sexualkundeunterrichts aber auch aus folgenden gründen auflagenzahlen, die die million locker knackten: die bravo brachte uns damals zum staunen, zweifeln und über das so eben gelesene musste so mancher noch stunden lang sinnieren, wenn auch in diesem lebensabschnitt in wenig intellektuellen kategorien.
verglichen mit den wirkweisen der bravo trifft brauck an dieser stelle vielleicht das problem der neon im kern: sie bildet dinge ab - laut dem spiegel-autor gleich ein ganzes lebensgefühl. doch weder zeichnet sie neue wege, noch gibt sie ihren lesern den pinsel dazu in die hand.

auch der verlag erklärt die leser zum zwar konsumfreudigen, allerdings verantwortungsablehnenden erdenbürger. die unglückliche formulierung, die gruner+jahr in das zeitschriftenprofil ihres jugendblattes schusterte, schränkt zudem das spektrum möglicher werbepartner erheblich ein: das "heft für menschen, die erwachsen sind, sich dafür aber eigentlich noch zu jung fühlen", taugt nach diesem text als werbefläche für kondome, lipgloss und mp3-player. wenn gruner+jahr glaubt, mit dieser definition den besonderen hipness-faktor der neon-zielgruppe einzufangen, anstatt ihn als unmündig und überfordert darzustellen, sollte eventuell die wahl des texters überdacht werden.



neon ist nett. die konnotation dieses wortes bedarf keiner weiteren ausführung. sie als sprachrohr der jungen deutschen unter vierzig zu bezeichnen, beschreibt diese gruppe menschen aber in etwa so genau, wie zu konstatieren michael ballack sei der george clooney des deutschen fußballs. da hilft nicht mal der gute wille.

das blog-feature der aktuellen neon charakterisiert die zeitschrift nun so, wie die junge generation von der alles erklären wollenden mediengesellschaft wahrgenommen wird: höchst diffus und ohne absicht. den charakter einer generation allerdings aufgrund 200.000 verkaufter magazinexemxplare auf den gehalt eines bunten heftes zu reduzieren, ist eher ausdruck einer ignoranten konsumgesellschaft, die sich komplexen zielgruppengeflechten versperrt und durch die konzentration auf einen vermeintlich existierenden mainstream vor dem leisen rauschen zahlreicher jugendbewegungen kapituliert, die jede für sich mindestens so politisch ist, wie die lauten proteste zurückliegender generationen.

ob, und wie weit ein printmagazin, dass es als berichtenswert erachtet bereits bekannte blogs einer popkulturell durchtränkten und netzsüchtigen leserschaft zu empfehlen, vom zeitgeist entfernt ist, entscheidet ihr. denn swim at your own risk, ist das knicken-motto der nacht. ratschläge für die fitness am laken, eure work-life-balance und politische orientierungslosigkeit bietet euch bei bedarf mit sicherheit das lifestyle-magazin eurer wahl.



11 comments:

  1. ist natürlich schön, dass sie über mahret schreiben - aber die hätte schon mehr verdient als einen satz.

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  2. ach was !

    aber hey tessa, neon ist ja garkein magazin. neon ist eine versuchung, es ist die illusion, das diesmal etwas aufregendes dirn stehen könnte, die mich das ding überhaupt aufschlagen lässt. dann bin ich wieder enttäuscht und kann dem ganzen höchstens belustigung durch peinlichkeit abgewinnen.

    wo das ganze hakt ?

    tja, beim vitamin B. oder wie werden sonst die partizipierenden ausgesucht. mit qualität hat das nichts zu tun, die cafe-latte-prenzlauer-berg-im-hintergrund-läuft-irgendein-paula-deriverat-mit-ähnlich-nebulösen-texten-stimmung, die das neon so herzallerliebst verbreitet, tja die kann man ja nicht ernst nehmen. es ist wie mit einem kaugummi. lieber das alte behalten auch wenn der geschack schon weg ist, wenn man keine mehr hat.

    da liegt auch meine absolute kritik am FACE ! was ist denn der blickwinkel, der die mediale vielfalt bereichert ? was ist denn der standpunkt und wo liegt das zu beackernde feld ?

    cheers c.

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  3. warum denn immer mediale vielfalt... wie wär es denn mal mit focussierung? und wer braucht standpunkte? doch nur um seinen eigenen wieder einmal herausheben zu können (ist es nicht so... es geht nur darum die eigene encoulturation, auch wenn sie merklich mäandert, im kontext einer dahinfließenden gesellschaft etablieren zu wollen, um das ego in einem referenzuniversum zu verankern, das die universen der anderen in hülle, fülle und blumigkeit weit übertrifft - dann kann man sich wohlfühlen - übrigens das ist NEON, welcome to the socalled durchschnittsbürger bzw -rezipient bzw Nerdtum). und was um himmels willen ist 'absolute' kritik? das zu beackernde feld ist übrigens ganz klein und liegt bei dir hinterm haus...JF

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  4. erst einmal wird gedruckt. das geschriebene sollte demnach auch den aufwand des schreibens/layoutens/druckens/distributierens
    gewachsen sein.

    ich sehe 1000 und 1 magazin am himmel und ausser 032c erscheint mir keines wirklich koscher.

    aber jetzt zum inhalt :

    wo liegt der unterschied zwischen fokus ( das nicht betrachtete unscharf maskieren ) und blickwinkel ( das nichtbetrachtete ausblenden ) ?

    wer keinen standpunkt hat hat keine sichtweise auf das leben, hat kein ziel ausser dem selbstzweck und ist somit nichts weiter als ein fisch im aquarium einer gesellschaft, die in selbstverliebtheit das atmen verlernt um eine lohas-prise zu streuen.

    standpunkte kann nur der nicht vertreten, dessen angepassungsfähigkeit sein arbeitskapital darstellt ;-)

    die dahinfliessende gesellschaft sehe ich so auch nicht, ich sehe sehr einschneidende veränderungen und weitgehende konsequenzen sowohl materiell wie auch geistig und damit meine ich schlicht weg bewusstsein.

    wenn es um das thema magazin geht :

    die erste frage sollte doch sein :

    warum mache ich ein magazin ?
    warum masse ich mir an der menschheit meine geistigen ergüsse in hoher auflage zum verkauf anzubieten. wenn das thema GELD ist, dann hört hier jegliche debatte auf, dann sollte man sich das geschäftsmodel "VICE" einprägen und einfach provokation produzieren, das zieht immer.

    ich verstehe einfach solche artikel wie "MEIN BESTER FREUND" nicht. es scheint mir um die mit koks aufgeblasenen alltagssituationen zu drehen, die mit fetzigen sätzen wie: "Das hormonverseuchte, debile Dauergrinsen wird zur verzerrten Psychomaske eines arbeitslosen Clowns, der sich in die Hose gekotet hat." ist angestrengt ironisch witzig, postmodern eben und dadurch schon so plump wie angeberisch.

    was wird da vorgestellt ? wo kriegt der leser da etwas neues für ihn spannendes serviert ? wo ist das kontemplative lesevergnügen ? wo bleibt das kaleidoskop des unerwarteten ? wo die zukunft.

    nein, das ist der geist der vor sich hin plätschernden gesellschaft, die mäandrisch sich um das gleiche dreht, um nichts, viel reden, nichts sagen, besonders kein statement setzen, man könnte ja angreifbar sein.

    das layout ( ausser cover ) ist okay. hier ein tip : schon mal über papiersorten, suggestive lesbarkeit des layouts, rhytmus des heftes, bildgrössen zu einander oder augenkrebs durch zu starken schwarz-weiss-kontrast nachgedacht ?

    neeee, wohl eher über "die Jungs von BossHoss, Axel und Harris von Aggro Berlin, Cover-Protagonist Daniel Brühl, Robert Stadlober, Trooper Da Don, Wasi, Jennifer Ulrich, Oliver Korittke und andere Personen des öffentlichen (GALA) Lebens".

    aber wenn nilsenburger mit seinem sonntags-blog schon reicht für musikalische unterhaltung, dann reichts eh ...

    cheers

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  5. und ums hier noch etwas auf die spitze zu treiben :

    "und was um himmels willen ist 'absolute' kritik? das zu beackernde feld ist übrigens ganz klein und liegt bei dir hinterm haus...JF"

    absolute kritik ist der kern dessen, was ich t&j an kleinen beispielen verdeutlichen wollte und hier mal destliert und auf das ganze bezogen "absolut" auf seite 1-ende beziehen kann.

    was das zu beackernde feld hinter meinem haus angeht, ja da liegt bolivien und kolumbien und ja, viel spass mit dem schneeweissen feld was noch zu beackern ist, sorry, im native und wir sind da gott sei dank raus ......peace

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  6. ADS ALARM GALORE! 032c = walter schönauer, der macht nebenher VF, alte ponton hamburg-tempo schule, es kommt immer irgendwo her, zuweilen auch aus dem nichts... und bezügl. der endzeilen: jemals drin gewesen?

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  7. jaja, schonmal drin gewesen, aber eben >95% ....

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  8. ja aber JF,

    wen interessiert denn irgendeine schule ?

    032C beweisst klasse und da ist mir egal wer was macht. besonders, da ja 032C länger existiert als VF und er dort den art director miemt, also contentwise eigentlich nüscht mitzureden hat.

    von der seite art direction ist die vanity auch noch nicht mal schlecht.

    sonst gehts du ja auf nichts ein, sprich hast du nichts mehr entgegenzusetzen ...

    schade, würd mich mal interessieren, wie man ticken muss um sich mit sowas zufrieden zu geben.

    cheers c.

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  9. ... ist nicht dein ernst, oder? du erwartest nicht wirklich, dass ich dir erkläre wie inhalt (content) und darstellung (layout/style) miteinander an den badesee fahren...? Darum und auch deshalb beende ich das hier und lasse Dich mit dem Editorial aus FACEMAGAZIN 01 mal alleine, vielleicht findest Du dich wieder; ich hatte Dich davor schon gefunden, aber les selbst...

    "Beim Betrachten der Blätter am Boden fühlen wir uns bestärkt. Das sieht so aus, wie man sich das vorgestellt hatte. Zumindest ungefähr. Da fehlt vielleicht hier und da eine Kleinigkeit oder manchmal auch eine weitere große Idee, aber das Bild im Ganzen entspricht den eigenen Erwartungen für eine erste Ausgabe eines neuen Magazins im rauschenden Blätterwald der Bundesrepublik, im Haifischbecken der Ad-Hunter, auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten.
    Zu erklären, warum die Zeichen gut stehen, ein neues Magazin in der Machart wie der unsrigen auf den Markt zu bringen, würde an dieser Stelle den selbst gesetzten Konzeptrahmen erstmal sprengen. Doch ein paar Erläuterungen zum Selbstverständnis der Macher seien an dieser Stelle doch gestattet.
    Neulich bin ich bei, ich glaube MySpace, über ein Zitat von Maxim Biller aus einem jüngst veröffentlichten Interview gestolpert und ich habe selten so eine klare und wahre Aussage über den gegenwärtigen Zustand einer sich am Status Quo berauschenden deutschen Gesellschaft gelesen, die sich in dem verliert, was sie tagtäglich produziert: „Über Deutschland wird immer nur mit den alten Herren geredet, nicht mit der jungen Generation, die inzwischen auch schon nicht mehr so jung ist. Warum geht keiner zu Christian Kracht oder Rainald Goetz, um mit ihnen über dieses Land zu reden? Ich bin aus meiner Generation, so weit ich
    weiß, der Einzige, mit dem man immer wieder über den politischen, moralischen Zustand dieser Gesellschaft redet. Warum? Natürlich auch, weil ich selbst darüber rede. Die anderen deutschen Schriftsteller – ich versuche gerade zu überlegen, ob ich jemandem Unrecht tue –, die tun das nicht. Warum? Vielleicht, weil die Männer keine Eier haben und die Frauen sich immer nur für Beziehungen interessieren.
    Versuchen Sie mal, von Ingo Schulze irgendein klares Wort über Ossis zu kriegen! Wer will wirklich über Politik reden? Wem ist es wichtig, wo diese Gesellschaft steht?“ (aus: Galore 3/08).
    Und tatsächlich, der Drang sich zu Dingen zu äußern, die die größtmögliche Distanz zur eigenen Enculturation aufweisen, ist gelegentlich enorm. Da bleiben die Sachverhalte, die man verstehen könnte, die sich im Blickfeld befinden, leider zu oft außen vor, nach Visionen, und das ist bewusst sehr allgemein gehalten, sucht man vergebens und Aktivismus befriedigt in der Regel nur den eigenen Geltungsdrang, das eigene Rechtsempfinden, das eigene System im System.
    Ok, Frau Zeh klagt gegen die Einführung des biometrischen Reisepasses beim Bundesverfassungsgericht (mehr dazu ab Seite 40 im Text „Freiheit stirbt mit Sicherheit“ von Jan Off), Tim Renner revolutioniert (wahrscheinlich nicht nur) das Radio, Thor Kunkel schreibt hoffentlich an seinem neuen Buch, der Chaos Computer Club erhackt sich Schäubles Fingerabdruck, Tocotronic finden zumindest richtige Worte und weitergedacht wird in Gruppierungen, die sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit treffen, da sie wissen, dass etablierte Medien gewisse Sachverhalte nicht erklärend vermitteln können.
    Und die andere Seite: Daniel Kehlmann befriedigt soweit Bedürfnisse des Buchhandels, Charlotte Roche läutet eine neue Ära weiblichen Selbstverständnis damit ein, sich bei Kerner, Raab & Co. über Rosetten-Bleaching auszulassen und junge Kreative und intellektuelle Überflieger werden zu schnell auf marktfähig getrimmt. Und dann gibt es eine überschaubare Anzahl an Leuten, die hin und wieder etwas wahres sagen, so wie vielleicht Maxim Biller. Aber der ist, ohne im nahe treten zu wollen, wahrscheinlich noch mal eine andere Generation als jene, die dieses neue Magazin macht und sich darin zeigt. Doch das fällt, zugegebenermaßen, unter Haarspalterei. Jung und nicht mehr ganz so jung – für die Marktanalyse macht das doch fast keinen Unterschied.
    Was der Markt von diesem neuen Magazin hält: in der ersten Ausgabe gibt es viele Fotos, viele großflächige Fotos, Gesichter, große Gesichter. Das ist etwas, das versteht man schnell. Da langt zuweilen ein flüchtiger Blick. Und dann gibt es da noch ein paar Texte, meist in der Versuchung entstanden und ihr darin erlegen, Dinge auf den Punkt bringen zu wollen, sei es als Betrachter, Protagonist oder Fan. Und die Artdirektion hat bereits versprochen, bei der nächsten Ausgabe ein paar Illus mit dem Pimmel zu malen.
    Also, das alles kann nur als eine Übungseinheit verstanden werden, eine Phase, die dazu dient, all das anzureißen, von dem wir glauben, dass es noch mehr werden kann; mehr Bilder, mehr Text, mehr mit Geschlechtsteilen gemalte Illus.
    Wir haben mit Sicherheit nichts dagegen, wenn dieses Magazin dein neuer Freund wird. Nein. Genau genommen: so hatten wir uns das gedacht."

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