they promised you a lie
lange wachphasen und wirre träume unterbrachen meine nächte im münchner palace hotel am vergangenen wochenende. zwei gründe dafür kann ich zweifelsfrei ausmachen: zum einen unbehagen, ausgelöst durch das schütteln von guido westerwelles hand, die sich anfühlte wie ein zu oft gefettetes ledersofa. zum anderen fieberte ich dem ersten album meiner derzeitigen lieblingsboyband entgegen. viele frauen haben die auflösung ihrer über alles geliebten boygroup überlebt und schicken ihren ersten sohn nun zum ballett - ich habe vor wenigen wochen das erste mal ein poster einer solchen band in meiner küche aufgehangen.
irgendwo zwischen später kindheit und endender teenagezeit klafft bei mir eine lücke, die für viele mädchen die erfahrungen einer heiser gekreischter kehle, hyperventilation in den vordersten reihen einer ausverkauften konzerthalle und den ersten, untröstbaren liebeskummer beinhaltet. boybands mochte ich nie, vielleicht aus dem grund, dass ich barbies und fußball schon im kindergarten nicht als unvereinbare hobbies angesehen habe, und somit meine spielkameraden des männlichen geschlechts nie als exotische energiebündel betrachtete, die aufgeregt einem ball hinterherjagten. dieses frühe verständnis für echte jungs stellte die von produzententeams aus plastikgegossenen knabenchöre für mich in eine ecke, die keinen sinn ergab: spielkameraden? - nein. erste liebe? – bloß nicht. meinen besten schwulen freund würde ich jahre später treffen, mir war weder metroxsexualität zu dieser zeit ein begriff, noch wusste ich von der geldmaschine hinter den gecasteten tanztruppen - dass an dem konzept einer boygroup allerdings einige kanten waren, die nicht in meine lebenswelt passten, und dass die sorgsam selektierten schönlinge bei mir so starke emotionen regten, wie monica bellucci bei guido westerwelle, stand bis zu meinem dreiundzwanzigsten lebensjahr für mich so fest wie kurt becks bürstenschnitt dem wind trotzt.
boybands funktionieren noch immer um pubertierenden mädchen herzen in die augen zu zaubern. diese malen heute wie früher mit nicht zu bremsenden enthusiasmus großflächige plakate für die auserkorenen voller sexueller angebote, von denen sie bis dahin stets nur in der bravo gelesen haben. wer nicht weint, seinen bh auf die bühne schleudert und nach luft jappst, ist kein wahrer fan. zwar ist tokio hotel ein entscheidender fortschritt und erweitert das spektrum der traumgatten für junge mädchen erheblich, dass die auseinandersetzung mit dem anderen geschlecht lange zeit nur über sehnsüchtiges betrachten eines poster geschieht sowie das objekt der begierde über das angebot von oralsex für ein 'happily ever after' gewonnen werden soll, stellt eine frühe weiche für die aufrechterhaltung patriarchalischer strukturen und schlechtem sex. nicht nur die musikindustrie führt dabei bereits kinder hin zu einer verkorksten rollenverteilung. sowohl erziehende, die spielzeugindustrie als auch das schulsystem propagieren eine starre geschlechtertypologie. integration schreibt die deutsche bildungspolitik zwar auf den ersten blick groß groß – doch dabei vergisst sie stets, dass nicht nicht nur sprachübergreifend ein bisschen anleitung beim miteiander hilft, sondern dass erstklässler mit blauem und fliederfarbenen schreibset nicht automatisch zu rollenbildern finden, die für ein zusammenleben förderlich sind. wen wundert es, dass die ersten kinder immer später kommen, wenn die damen daran festhalten auf einen blonden prinz à la nick carter zu warten, und die herren im vorstand fangen spielen. warten wir ab, ob frau von der leyen sich der demographischen hemmfunktion von boybands bewusst ist, denn natürlich ist das rauchverbot in deutschland erst der anfang davon, unsere kultur auf maß zu schleifen.
der hang zur zigarette hat sich mir bislang nicht erschlossen , doch meine vorliebe für boybands habe ich ausgerechnet im fruchtbarsten alter entdeckt. die lebensphase, in der ich begonnen habe musikalische formationen, die hauptsächlich aus hübschen, nonchalanten männern bestehen, zu mögen, weist vielleicht eine parallele zu dem phänomen der kindlichen hinwendung zur boygroup auf: mädchen beginnen zehn jahre ältere sänger zu vergöttern, da diese über romantik und ewige liebe singen, wenn ihre altersgenossen fast ausschließlich für die waden von michael ballack zu begeistern sind, die rehaugen der klassenkameradin aber schlicht nicht interessant genug sind. als mein freund begann unsere familienplanung mit dem grundgesetz und dessen schwestern in der staatsbibliothek auszusitzen, entdeckte ich, wenn auch nicht ausschließlich aufgrund von hübschen hintern, meine liebe zu einer handvoll boybands.
lange leuchteten meine augen nur bei dem anblick von zwergkaninchen und männern mit bärten, but things have changed: wie es sich für einen fan mit groupietendenzen gehört, habe ich the teenagers in diesem jahr schon live gesehen, besitze shirt und poster and der wand und kann die lieder mitsingen. ich wurde ermahnt, nicht zu oft über poney poney zu schreiben, und der text über young lords muss dringend gekürzt werden, bevor er online geht. doch sorgen, muss man sich um mich nicht: entscheidender unterschied für die entdeckung der boybandbegeisterung im jungen erwachsenenalter ist nämlich, dass ich nicht davon träume, dorian, quentin oder michael vor den altar zu schleppen, sondern ich eher ihr dreckiges französches gebrabbel als ihre ärsche sexy finde. es geht im inhalt, baby!
und jetzt geht es um vier jungfrauen: die new yorker jungs von the virgins verzaubern nicht mit französischem indiepop sondern sexappeal, markanten gesichtern und schon jetzt gefestigter rockstar-attitude. zu diesem urteil kam nicht nur ich, nachdem sich 'rich girls' zuerst im oktober in mein ohr gebrannt hatte: auch die vogue hommes international befand wade und donald heiß, kantig und nonchalant genug, um sie von terry richardson für die erotic ausgabe des magazins fotografieren zu lassen. ihr derberes äußers zusammen genommen mit den anfängen der band in der new yorker rock szene hätte zunächst dazu führen müssen, dass ich das label boyband für the virgins nur mit einem augenzwinkern benutze, um der wertschätzung ihres stils und musik den hauch mädchenhafter begeisterung zu verleihen, der sonst nur bei liebesblinden fans zu finden ist. doch mit ihrem ersten album rücken the virgins ein gutes stück an das wesen einer klassischen boygroup heran: der schmutzige, schnoddrige sound der ersten ep ist zu sauberen, exakt arrangierten popstücken geglättet worden. textzeilen wie 'let’s have a cocaine brunch' und 'i like the way that her body bends in half' verlieren an nachdruck und arroganz; in diesem ton wird normalerweise von blonden jünglingen über gebrochene herzen oder ewige liebe in verregneten videos gesungen. da die produzenten von gossip girls die komplette erste ep der virgins für den soundtrack der serie auswählten, überrascht es fast, dass das album für den markt den härteren sound einbüßen musste, hatte das überwiegend weibliche publikum die virgins doch mit großer begeisterung aufgenommen.
einer band aber, deren demostücke seit monaten in den ersten reihen meiner persönlichen charts rangieren, kann man auch bei einer überdosis pop nicht untreu werden – schon gar nicht im sommer. zudem haben stimme und bassline nicht an eindringlichkeit verloren, und die 80er färbung von 'teenlovers' und 'murder' gibt der laune den letzten notwendigen stupser, um neben roten lippenstift und aspirin den bikini zum festbestand der handtasche zu machen.
den virgins, die mit ihrem dritten konzert eine show von patti smith eröffnet und für ihre liveshows - egal ob in new york, paris oder london - überschwängliches lob geerntet haben, kann man ein für das teenage-girl geschliffenes album verzeihen. auch sie brauchen ein bisschen geld für die jeans an ihren hübschen hintern. auch sie finden den gedanken nicht schlecht, dass ein paar dreizehnjährige verzückt ihr debutalbum hören, und dazu in ihrem pinkgestrichenen jugendzimmer mit dem kopf wippen. ich tue das auch - obwohl ich den rougheren demoversionen den vorzug gebe, die mich hoffen lassen auf live-gigs in deutschland und weitere alben der new yorker jungfrauen. denn verzauberte fans sind wie überzeugte wähler und junge mütter: once they’re in love, they’ll excuse anything.
das album könnt ihr bei itunes kaufen, bei uns gibt es die zwei songs in der ep-version.
the virgins - love is colder than death (ysi)
the virgins - fernando pando (ysi)
mehr biografisches zu den virgins gibt es auf ihrer website, in einem interview bei the only glitterati, unserem ersten artikel aus dem letzten jahr sowie bei ihrem label atlantic records. in den usa sind wade, erik, donald und nick gerade mit der nylon summer music tour des gleichnamigen magazins auf tour.
du hst smithers die hand geschüttelt ?
ReplyDeletena da kann ja innenminister burns nicht mehr weit sein....