8/08/2007

tatort travemünde



sebastian kamps ist bäckersohn, und das ist auch der vermutlich einzige grund, warum die boulevardmedien ihn vor seiner gestrigen hochzeit zu einem der begehrtesten junggesellen deutschlands zählten. weder seine pausbacken, noch sein musikgeschmack begründen dies. sebastians ankunft in travemünde wurde mit seinem lieblingslied "i am looking for freedom" untermalt. ein bißchen sieht er auch aus wie the hoff, nur hoffentlich erspart er travemündes strand die rote speedo!

die staubtrockenen backwaren der franchise-kette kamps eignen sich bekanntlich nur als entenfutter und paniermehl, doch schaden angerichtet hat die familie noch nicht genug. sebastian und seine gattin gülcan, ihres zeichens selbst eine kreation der medienbranche, setzten gestern einen erneuten meilenstein in der entwicklung des fernsehens, die sowohl journalisten als auch werbern den brötchenerwerb immer schwieriger macht; denn wer hier wirbt, oder berichtet, muss verzweifelt sein. das privatfernsehen braucht keine journalisten mehr, die kommentatoren kommen aus den seniorenresidenzen ausgedienter viva-moderatoren. da weiß man, was man hat: können, charisma und kompetenz gleich null. auf seiten der werbung stellt sich die frage, welche firmen ihren agenturen noch große etats für fernsehwerbespots zur verfügung stellen möchten. fernsehwerbung mag zwar die königsdisziplin dieser branche sein, aber die mediaplaner wissen womöglich auch nicht, welche spots außer für damenrasierer, fettarmen joghurt und katzenstreu überhaupt noch ihre zielgruppen über das fernsehen erreichen, quote hin oder her.

so schreibt auch zukunftsforscher opaschowski, dass eine mediengeneration heranwachse, "die sich zwischen konsumhaltung und verweigerungshaltung entscheiden muss. […] die kleine gruppe der verweigerer verhält sich fast wie eine postmediale generation: raus aus dem medialen zeitkorsett und weg von sinnentleerten tv-ritualen, ausstieg aus cliquenzwängen, gruppennormen und oberflächlichen beziehungen. […] dies kann sich nur eine info- und bildungselite leisten - die masse bleibt weitgehend im käfig der konsumkultur."

dennoch konnten gestern abend alle zufrieden sein. prosieben erreichte einen marktanteil von 18,6 prozent, versammelte die deutsche prominenz in gestalt von kai ebel zur travemünder traumhochzeit, und mein mitbewohner fand doch noch die dvd mit den münsteraner tatorten, so dass ich anstatt dem ja-wort doch noch jan-josef-liefers mit seiner moorleiche anschauen konnte.

zur scheidung schalte ich dann wieder ein, versprochen.


2 comments:

  1. Sehr schöner Text, der meine allmorgendlichen Beklemmungen ob des Backwarenangebots an Bahnhöfen nur allzu gut wiederspiegelt. Aktuelle Medienstudien zeigen allerdings, dass im Grunde alle alles gucken, wobei heranwachsende Bildungseliten neben Gülcans Hochzeit noch stärker als weniger Gebildete aus alternativen Medienangeboten wählen. "Postmedial" also insofern, als dass wie bei jedem "post" alte Formen und Inhalte in neuen Formen und Inhalten weiterexistieren. Gruppenzwang, Rituale, oberflächliche Beziehungen etc. sind ja Dinge, die in "elitären" Medienangeboten wie Facebook, MySpace, Xing usw. geradezu obligat sind. Die in der wie ich finde schwachen These 9 skizzierten Verweigerer sind meist diejenigen, die aus allen Angeboten wählen, dann aber gerne ihre ethografischen Analysen der Medienlandschaft in der peer group mit der Einleitung "Also ich bin gestern ja zufällig beim Durchschalten bei dieser Hochzeitssendung von dieser Vivamoderatorin, na wie heißt sie noch, gelandet..." beginnen:-)

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  2. also, ich bin ja letztens auf dieser trendforschungsmischpokenseite, wie heisst sie noch, gelandet... ;)

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