10/24/2007

spieglein, spieglein



über mode zu schreiben fällt für mich in eine ähnliche kategorie wie mein kurzweiliges veterinärmedizinstudium: meine tierliebe darin gipfeln zu lassen, die flauschigen freunde mit einem scharfen skalpell und dem beißenden geruch von formaldehyd in der nase zu sezieren, machte für mich im endeffekt ähnlich wenig sinn wie eine wissenschaftliche abhandlung über eine beliebige zwischenkollektion zu schreiben.

beide anliegen in allen ehren, doch streicheln, gucken und tragen genügen bisweilen vollkommen. die wunderbaren ergebnisse aus maaike mekkings neuer kollektion kattekwaad dürfen im rahmen dieses textes deshalb einfach wortlos auf euch wirken; you may love it, you may not.

heikel kann es sowohl bei übertriebener tierliebe und modeleidenschaft werden, wenn sie in ihrem gegenteil mündet: zum einen in der tierquälerei und zum anderen in ausufernder oberflächlichkeit, geschmachsverirrungen sowie einem vollkommenen verlust desgleichen.
die synthese von übertriebener liebe zum plüschigen tier und enarteter mode ist natürlich der pelz, der in grauer vorzeit durchaus legitim und funktional war, dessen herstellung heute hingegen größtenteils in die schublade der abartigkeit fallen muss, in der auch kinderpornographie, zwangsprostitution und organraub ihr dasein fristen.

mit diesen bildern vor augen scheint es nahezu lächerlich, awareness für andere modesünden schaffen zu wollen. high waist jeans, in der amerikanischen blogosphäre zurecht als mom-jeans verachtet, holzfällerhemden und der gängige berliner trash style erlangen in diesem kontext fast kindliche unschuld oder die belanglosigkeit der spice girls reunion.

believe the hype
vielleicht scheint es trotzdem an dieser stelle sinnvoll, einen kleinen blick auf postpubertäre stilkrisen zu werfen, die sich in der krampfhaft hippen szene tummeln.
doch so schnelllebig wie der berliner trash trend, der sich irgendwo zwischen mut zur hässlichkeit, new rave und penner bewegt, wohlmöglich sein wird, so überstürzt und nicht zuende gedacht ist die behauptung, er qualifiziere als eigene moderichtung oder sei ein zeichen von geschmack und stil, oder etwa eine konsequent durchdachte modische und gesellschaftliche rebellion.

das konzept lässt sich mehrfach aushebeln: zum einen ist das bekenntnis zum schlechten geschmack, stilbruch und der intendierten unattraktivität inkonsistent: die kombination des derbsten looks nimmt mehr zeit in anspruch als klassische zusammenstellungen; weiterhin traut der träger sich zwar scheußliche stoffstücke zu tragen – der körper hingegen bleibt heilig: trotz oversize t-shirt sollte das weibliche schlüsselbein stets hervorstechen, die jeans sich in einer 25er inch-weite weiterhin über spitze hüftknochen ziehen, die nägel sind frisch lackiert und haut und haar bleiben ein streng umsorgtes kleinod. ferner verliert sich die der mode heute zugeschriebene funktion der selbstdarstellung und ihre expressive bedeutung, denn unter den trägern befinden sich auch lehramtsstudentinnen, intakte seelen und doktoranden.
ob das neon-outfit nun analog zur mdma-dosis gewählt ist, aus gruppenzwang oder als antithese zu den gefühlen, die dem analytiker dreimal die woche vor die füße gekotzt werden, bleibt dabei offen. nur soviel wird klar: willkür ist ein fragliches charakteristikum für jegliche beschreibung eines phänomens, und ein gemeinsames lebensgefühl, eine gesellschaftliche aussage oder gemeinschaftliche erklärung einer generation wird über mode schon lange nicht mehr formuliert.

i'd rather go naked
einzig interessant finde ich die energische umkehrung des gedanken, durch die sorgsame auswahl von bekleidung, die investition von viel liebe, gedanken und geld, attraktiver zu erscheinen. spread the love. darf ich es als aufdringlich, notorisch und ein wenig traurig bezeichnen, plakativ zur schau zu tragen, dass - no matter what - ich nackt besser aussehen werde?



ist das etwa auch der gedanke, der zum pelz tragen ermuntert? der waschbär will nackt sein? vielleicht erklärt diese absurde annahme ebenfalls, warum die vorausgehende abhandlung zustande kam, obwohl der ausgangsvergleich nicht sezieren und kaputt schreiben, sondern streicheln und stillschweigend tragen ist? es geht an dieser stelle nicht um das anatomische verständnis von tieren oder die historische und kulturelle verortung von mode, sondern um das glücksgefühl, was ein besuch im streichelzoos des görlitzer parks auslöst oder der kauf des mantels, den du solange tragen wirst, bis der sommer sich nicht mehr leugnen lässt.

diese zufriedenheit wird sich nun nicht einstellen, wenn sich vor den eigenen augen gut gekleidete menschen vergnügen, aber ein neidischer blick, ein wohlwollender kommentar und die frage: where did you get that? bringen uns vermutlich weiter als die befürchtung augenkrebs zu bekommen und die entscheidung zu treffen, nun doch wieder in der staatsbibliothek zu flirten, da man nur außerhalb der gefilde, die als weniger angesagt gelten, jemanden trifft, den man auf anhieb zum vater seiner kinder machen möchte.

we do need some education
wenn also die deutsche regierung sich aufopfernd darum kümmert, dass wir nicht zu viele transfette essen und adipös werden, ein ausreichendes maß an bildung bekommen, das rauchen an den nagel hängen und mehr kinder zeugen, warum sorgt sie nicht für eine bessere ausbildung des ästhetischen empfindens? ein bisschen besseren kunstunterricht, der nicht nur lehrt wie man erdmännchen proportioniert abzeichnet oder specksteine zu abstraktem unsinn schmiergelt, sondern auch soviel einblicke und selbsterfahrung in design und mode gewährt, dass sich die schüler zum zeitpunkt des abiturs soweit ausgetobt haben, dass sie nicht am nichtbestehen der aufnahmeprüfung an einer kunstakademie seelisch zerbrechen sondern mit gutem gewissen bwl studieren können, und ihr gefühl für ästhetik soweit herangereift ist, dass sie erkennen, dass die größtmögliche diskrepanz, die man zu mode und stil schaffen kann, ist, sich selbst und die eigenen h&m outfits im spiegel der schrankwand zu fotografieren und dies zur basis eines fashion-blogs zu machen.

wie das im einzelnen aussieht muss ich an dieser stelle kaum aufgreifen. da auch die auswüchse von falsch verstandener liebe zu mode und der hoffnung, an diesem wochenende durch eine weitere steigerung des fehlgriffs endlich jemandem aufzufallen, an jedem xbeliebigen abend im feldforschungs-design zu beobachten sind, kann auch auf eine fotografische gedächtnisstütze in diesem rahmen verzichtet werden.

anstatt dessen noch ein bißchen niederländisches design aus london, eine gute nacht und einen todschicken donnerstag.






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