eine frage der haltung
seit seiner einstellung im jahr 1999 stieg hartmut mehdorns gehalt um etwa 400 prozent, das seines vorstands im schnitt um knapp 300 prozent. kinder des fernverkehrs wissen, dass man gleichzeitig ohne billigtickets, sonderaktionen oder bahncard 50 am fernverkehr der deutschen bahn kaum teilnehmen kann. ein stehplatz berlin - hamburg kostet momentan rund 62 - moment - 65 euro, einfache fahrt wohlgemerkt. vor mehdorns antritt waren es immerhin noch unter 50 euro.
dass dies schon damals sowohl dem geldbeutel des kunden als auch der mobilität des humankapitals - wie der volkswirt so charmant sagt - abträglich war, ist unbestritten. berlin ist immernoch berlin und nicht, wie bahn und medien uns damals glauben machen wollten, der neue, kreative vorort von hamburg, der stadt, die den berliner nachwuchskräften jobs und geld bieten sollte. ganz im gegenteil, während berlin weiter vor sich hin siecht, erfreut sich hamburg einer wirtschaftlich äusserst stabilen lage, ohne die berliner boheme. die brücke zwischen den beiden nördlichsten metropolen deutschlands bleibt zumindest auf den gleisen brüchig.
vor kurzem dann trat der unbeliebteste deutsche in das nächste fettnäpfchen, namentlich gdl. mit den lokführern lieferte bzw. liefert er sich eine mediale farce, bei der am ende niemand mehr eine gute figur abgeben wird. weder der immersture, unbelehrbare und mit 170 cm körpergröße einer minderheit angehörende mehdorn - der brandeins zufolge bilden topmanager unter 180 cm mit 9 prozent eine recht seltene art - zur einsicht kaum zu bewegen, die scheinbar gierigen lokführer, die einen stück von der neuen, großen sachertorte namens db abhaben wollen, noch die westerwellschesken co-gewerkschaften, die nichts besseres zu tun haben, als sich den medien als phrasendreschende höhlenforscher unterer körperregionen zu präsentieren.
was bleibt, ist ein unternehmen, das den eindruck macht, fest in der hand einer selbstsüchtigen riege von managern zu sein, das sowohl von kunden- als auch angestelltenbindung nicht viel zu halten scheint und in den letzten wochen im chaos versank, ganz so wie es auf den gleisen schon seit jahren üblich ist. nur inklusive fürstlicher entlohnung.
schamgefühl jedoch wird bei herrn mehdorn wohl kaum aufkommen, weiss er sich doch in den besten kreisen. so verdient herr wiedeking, seines zeichens porsche-chef, knapp 54 millionen euro im jahr, eine summe die vor allem auf einem vertrag fußt, der geschlossen wurde, als sich der aktienkurs des unternehmens noch auf talfahrt befand. jetzt, da es wieder bergauf geht, versteht sich wiedeking im grunde genommen konkludent aufgefordert, die kuh zu schlachten, die er melkt.
aber tut er das wirklich? nein, den wie im fall ackermann müssen sich die topmanager keine sorgen um konsequenzen machen: bei der pleite ruft der nächste lukrative job, im zweifelsfall sitzt man eh schon im vorstand nebenan. justizia schützt derweilen mit geschlossenen augen ein solches verhalten, und so wird es wohl auch noch eine weile bleiben. wenn man sich anschaut, wie richtlinientreu die regierung momentan die vorweihnachtlichen klatschpressen füllt, muss man sich als manager zumindest in nächster zeit keine sorgen machen, mit dem gesetz in konflikt zu geraten.
eine ganz andere idee kam dabei gregor gysi als gast bei anne will. er wies darauf hin, dass es neben dem gesetz noch die möglichkeit der gesellschaftlichen ächtung gäbe. das ist eine stoßrichtung über die man sich in den büros jenseits des 20ten stockwerks vielleicht schon viel eher gedanken machen sollte.
noch stehen sie nur in den medien schlecht dar, werden beschimpft und landen schlussendlich auf negativen toplisten, deren aussagekraft sich auf ein paar zehntausend clicks im internet beläuft. ein eher amüsanter widerstand, geht man davon aus, dass der pauschal idealisierte topmanager mit seinem gewissen ähnlich skrupellos umgeht wie mit den geldtöpfen seines unternehmens.
aber moment, war es nicht genau diese haltung, die vor knapp 30 jahren zu etwas führte, das wir heute den deutschen herbst nennen? politiker reden heute von notwendiger sozialer ungerechtigkeit, oswald metzger diffamiert hartz-4-empfänger, gleichzeitig formiert sich ein neuer geldadel, der von entlassungen und "entschlackung" seiner unternehmen lebt und dessen grinsende fratze herr ackermann nach gewonnenem verfahren in siegerpose präsentiert.
der radikale widerstand ist momentan eher kopflos, laut, betrunken und am 1. mai in kreuzberg. künstlerisch verniedlicht zeigt 'die fetten jahre sind vorbei' wie es auch anders gehen könnte. doch das ist alles harmlos im vergleich zu dem, was vor einigen wochen auf allen kanälen gut dokumentiert über die bildschirme lief, ein backflash in eine längst vergessene zeit des linken terrors.
in einer gesellschaft aber, deren subkulturen den chic der raf und des linken widerstandes nicht erst seit der wiedergeburt des palifeudels als styleaccessoire aufgegriffen haben, finden sich mehr und mehr menschen, die sowohl mit links als auch radikal sympathisieren, es zumindest wohlwollend dulden. ganz allgemein ist es modern, mit der nationalen vergangenheit flapsig bis unreflektiert umzugehen. und selbst der bnd scheint die zeichen der zeit erkannt zu haben und sich mit seiner offensive in sachen datenschutz wieder gedanken um konspirative wohngemeinschaften zu machen.
man mag davon halten, was man will. wenn weder haltung noch gesetz die topmanager in die schranken zu weisen wissen, werden sie selbst den nährboden für etwas liefern, dass in dieser form in deutschland seit jahren maximal als böser traum vergangener tage existierte. die branche der privaten sicherheitsdienste boomt. ein reflex auf neider, (linke) besserwisser auf dem kriegspfad oder schlicht die eigene paranoia. ein umstand, der in jeder hinsicht nachdenklich stimmt und zweifel an den mechanismen unserer gesellschaft aufkommen lässt.
und doch ertappt man sich bei dem gedanken an einen fiktiven josef ackermann als suchkind 312 oder herrn mehdorn, der vermisst und verzweifelt mit brüchiger stimme an den bahngleisen von seinen treuen angestellten ausgerufen wird, dabei, ein gefühl zu entwickeln, das unseren eltern mehr als bekannt sein sollte: heimliche freude.
diese entwicklung sollte einigen mitgliedern unserer gesellschaft genug anlass sein, das eigene maß eingehend zu prüfen. so oder so ist es an der zeit, etwas haltung und soziale verantwortung zu zeigen, will man doch den turbokapitalisten aus mütterchen russland zeigen, dass demokratie auch mit rechten dingen zugehen kann. was auch immer die zukunft bringt, dem schreiber zumindest ist es grund genug, mehr popmusik zu hören.
Herrlich!
ReplyDeletepresse-foto des jahres würde ich sagen. ob ein bild-leser-reporter-ausweis wohl langt?
ReplyDeletejeden morgen das gleiche ,,
ReplyDeleteliegend in der reichsbahn