9/14/2007

im schweiße deines angesichts



nach einem kurzen ausflug in unsere eckbadewanne gleicht mein anblick immer noch dem eines begossenen pudels. ähnlich durchnässt bewegten sich die neon kids eben aus der tür der maria auf ihre heimwege in die berliner stadtteile.
eine knappe stunde hatte ausgereicht, die heißesten tage des sommers im schnelldurchlauf zu erleben: justice kochten die körper ihres publikums auf eine fiebertemperatur, die alle aufkeimenden erkältungen vergessen machte, und bescherte ein endorphinhoch, das die tänzer erst am frühen freitag abend langsam ins wochenende entlassen wird.
zwischendurch dachte ich: "these guys seriously wanna kill us." halbmarathon für halbwüchsige, blaue flecken als merchandise. das glas sekt versetzt die 14jährigen in ekstase, die 17jährigen sind auf e und die enddreißger genießen den jungbrunnen-effekt der tobenden menge.

ein auf sehr eigenwillige art breitgefächertes konzertpublikum, wenn auch durchgängig sehr bunt, sehr new rave und sehr glücklich - vereint unter dem gleißenden licht eines kreuzes. der trend liegt auf der lauer. werden nun alle mädchen, die im grundschulalter in ein kommunionkleid gesteckt wurden, ihre goldenen ketten mit den kreuzen wieder hervor kramen?
meine mutter bräche vermutlich in freudentränen aus, würde ich es wagen nach meiner kette zu fragen, und sagen, sie hätte doch immer gewusst, dass ich noch einmal zur katholischen kirche zurückfinden würde.
abgesehen davon, dass ich goldschmuck an mir nicht mag, wird aber auch letzteres niemals eintreffen.

unter einem kreuz zu tanzen, hat die überbleibsel meiner katholischen kindheit gezwickt und mich zunächst irritiert. doch eddie amadors erkenntnis kann zweifellos auf mehr als house music übertragen werden: zur bestätigung der aussage "it’s a spiritual thing; a body thing; a soul thing" wird sich vermutlich nach jedem konzert – unabhängig von seiner musikalischen verortung – ein bekennender fan finden.

justice werden zwar weder in naher noch in ferner zukunft so viele anhänger zu ihren gigs versammeln wie es popstar papst benedikt vermag, meinen spirituellen hunger haben die franzosen hingegen für diese nacht besser gestillt, als die katholische kirche es jemals im stande sein wird.
dies geschah ohne explizite texte, hochtrabende aussagen und eindringlicher vermittlung von werten und moral. oftmals macht musik auch ohne viele worte mehr sinn als eine lange predigt.

lediglich in ein paar internen bereichen scheint der jungsclub der katholiken sinn zu machen: wer immer und ohne recht in frauenthemen die alleingültigkeit der eigenen meinung reklamiert, tarnt mit dem zölibat geschickt die große schwierigkeit, das andere geschlecht auch nur in die nähe einer sympathiebekundung zu bewegen.


5 comments:

  1. klingt irgendwie so ganz anders als artyfartyschitt im hohen norden. dafür gab's freibier und pommes rot-weiss. und das hat ja auch beinahe was katholisches.

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  2. bei uns war es anders. komisch wie unterschiedlich das publikum sein kann..super text!

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  3. http://www.youtube.com/watch?v=FGQEo4KPw14

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  4. wir haben uns ein wenig verliebt...
    http://www.lesmads.de/2007/09/justice_interview_video.html

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