7/27/2009

eine frage der ameise



Fällt das Wort Festival, denke ich sofort an Matsch, Mücken und auch an Wacken. An Metal, Männer und Müllpfand. Obwohl auf die Kappe meiner Kindheit vermutlich mehr Baumhäuser und Brennesselstiche gehen als bei manch anderer Provinzblume und ich sogar bei meinen Eltern im Garten das Zelt aufschlug, ist aus mir – obgleich musikliebend - kein fleissiger Festivalgänger geworden. Ich mag es düster, humid und mitsamt der Jahresportion für den geneigten Passivraucher auf überdachten Konzerten. Ein Zelt behält immer den kindlichen-christlichen Pfadfinder-Charme und das Freiluftgelände die unausgesprochene Drohung unter Sternenhimmel Romantik empfinden zu müssen, geschweige denn den Akt mit dem Liebsten in der Gegenwart von voyeuristischen Ameisen vollziehen zu müssen. Ich bin zu alt, ich mag ein blütenweißes Kleid und eine Federkernmatratze oder den Küchentisch.
Doch zumindest für die Ohren hält fast jedes Festival etwas bereit, dass auch den größten Schreihals sanft in den Schlaf schaukelt und die Sternschnuppe in der Sommernacht zückt. Ganz gleich ob man die Nacht nun unter freiem Himmel verbringt, im heimischen Bett oder gestärkten Hotellaken.

Ein Vertreter dieser Gattung von Band sind die aus Südafrika stammenden Dear Reader. Am ersten Tag des Berlin Festivals kann man zu diesen Klängen knutschen, wenn man mag. Oder man lauscht den Klängen genauer, notiert und weist wie jede vorausgegangene Rezension darauf hin, dass weder Band noch Debütalbum „Replace Why With Funny“ sich anhören wie der holde Musikkritiker es von einer südafrikanischen Band erwartet. So etwas darf eine Band aus Portland, aus Glasgow oder den skandinavischen Regionen des verträumten Indiepop, mit dem nicht nur Jens Lekmann die Herzen der stolzesten Frauen zu brechen vermag. Ein südafrikanisches Popduo darf das nicht. Oder dann schon, wenn man nur ausführlich auf den vermeintlichen Widerspruch hinweist. Auch Berlin bringt solche Bands hervor, so munkelt der Untergrund. Oder Madison, Wisconsin. Von dort stammen die Pale Young Gentlemen, an die mich Dear Reader ein wenig erinnerten. Ich habe mich verguckt in die Cellistin, die unter den Gentlemännern weilt. Mit einem Ohr und einem halben. Zusammen wären Dear Reader und die blassen Herren ein wunderbares Miniaturorchester, und man würde rätseln, welchem Kontinent, welcher Musikhauptstadt man nun diesen von Streichern becircten Sound zuordnen könnte. Für die Pale Young Gentlemen gibt es einen gar wunderschönen Verweis, welch musizierende Königlichkeit aus der gleichen Stadt entstammt, obgleich dies musikalisch rein gar nichts zur Sache tut: Rotschopf Shirley Manson und ihre Band Garbage fanden hier zusammen. In diesem Sinne: We're only happy when it's complicated.


Dear Reader - Dearheart (ysi)




Pale Young Gentlemen - Fraulein (ysi)






No comments:

Post a Comment